Bereit für den Tod

Vor der Tür suchte ich in der Suchmaschine meines Handys nach einigen Übereinstimmungen der Schlüsselwörter „Chemo, neuer Krebs, schnellwachsend), doch das hätte ich nicht machen sollen. Hier war die Rede von 12 Wochen und so wie sich mein Körper anfühlte, konnte ich diese Zahl auch nicht gerade als Lüge abtun.

Ich verließ den Flur und wollte nur noch um eine Ecke und aus dem Sichtfeld von anderen Menschen. Mein Puls beschleunigte sich und eine innere Kraft und Unruhe erfasste mich, ich wollte weinen, los rennen, mit meinem Bruder telefonieren, um mit Ihm den Wohnort von meinem Sohn und meiner Mutter zu klären. Dann tauchten Bilder von den geliebten Menschen auf, die ich einfach im Stich lassen musste. Ich war hilflos und keine Lösung schien in dieser kurzen Zeit zu greifen. Ich wusste ich konnte diese Probleme hier vor Ort jetzt nicht lösen und zwang mich zu einem 10 Punkteplan. Mit Panik, Hilflosigkeit und Tränen wollte ich keine Straßenbahn fahren, daher atmete ich tief durch und drängte meine Gedanken an die Aufgaben die ich erledigen musste.

Immer wieder kämpfte ich um meine Fassung in der Bahn, die Tränen waren nur einen Wimpernschlag entfernt. An meiner Station angekommen, schoss ich aus der Bahn und ich musste noch ein Stück laufen um meine eigenen 4 Wände zu erreichen. Dort im Schutz der Einsamkeit wollte ich meiner Schwäche kurz nachgeben und dann den Plan „Absicherung für die ganze Familie“ innerhalb der nächsten 12 Wochen in Angriff nehmen. Ich war im Hausflur, öffnete die Wohnungstür und hatte noch im Kopf das mein Sohn in die Stadt wollte und gab mich dann ungebremst dem Schluchzen hin. Es tat gut die Folgen die diese Diagnose mit sich bringen sollte, auszuspülen. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich den ganzen Krebs rausgeweint.

Ich hörte meinen Sohn „Mama, was ist los?“ sagen und als nächstes kam er aus seinem Zimmer geschossen. Geschockt schaute ich Ihn an, nur um dann schnell den Blick in eine andere Richtung zu lenken, das wollte ich nicht, er sollte mich nicht so aufgelöst sehen. Ich versuchte mir die Tränen weg zu wischen und Ihm nicht ins Gesicht zu sehen. Aber so schnell kann man dem Strom von Tränen nicht zum Versiegen bringen. Er kam näher und nahm mich in seine Arme, da er einen Kopf größer ist als ich musste ich Ihm auch nicht in die Augen schauen, aber ich wusste, dass ich Ihm etwas erzählen musste. Sorge lag in seiner Frage „Mama, was ist denn passiert?“ Und ich begann ihm von meiner Diagnose zu berichten. Es war ein Schock für Ihn und wir weinten zusammen. Dieses Spiel wiederholte sich dann noch als mein Mann und meine Mutter nach Hause kamen.

Es tat mir tief im Herzen weh, den Menschen die mich lieben und brauchen, so eine schlechte Nachricht zu überbringen. Doch das sind die Momente die man brauch um festzustellen, was man im Leben  noch alles ändern sollte, solange man dazu in der Lage ist. Ich rede von einer Absicherung für die, die wir zurücklassen. Viele Menschen haben nicht mal die Gelegenheit noch etwas zu klären. Sie werden während eines Autounfalls einfach aus dem Leben gerissen und die Leitragenden sind dann zum Beispiel die Kinder. Sie werden, wenn es ungünstig läuft zu Vollwaisen und wachen ohne Liebe und finanziellen Mitteln auf, kein Mensch kümmert sich um Sie oder setzt sich für sie ein.

Ich wollte meiner Familie einen Lichtblick, eine Gelegenheit zum Hoffen geben und daher teilte ich jedem meine Vermutung mit. Ich war noch immer fest davon überzeugt, dass es kein Krebs war. Es fühlte sich anders als Krebs an. Krebs ist versöhnlich nicht so kaltblütig. Es ist eine Lebensform die fortbestehen möchte, sie möchte wachsen und verursacht selten solche Reaktionen im Körper, wie die, die ich die letzten Wochen fühlte. Daher versprach ich meinen Lieben, dass ich noch nicht aufgebe und alles tue um diese Diagnose ungeschehen zu machen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.