In der Notaufnahme der Uniklink am Dienstag den 21.03.2017

Als ich in der Notaufnahme ankam bestand ich darauf selber zu laufen, ich wollte nicht auf dem Rücken liegen, da ich so schon genug Schmerzen hatte. Ich wurde an der Anmeldung erfasst und man erkannte mich von der Nacht zu vor. Es war mir peinlich und als die Frage kam, sind Sie schon wieder wegen Ihrem Sohn da, musste ich verneinen. Leider für mich selber, man sah mich von Kopf bis Fuß an und die Fragezeichen wurden auf der Stirn sichtbar. „Was können wir für Sie tun?“ Der Sanitäter schilderte mit kurzen medizinischen Begriffen meine Situation und wir wurden ins Innere der Notfallambulanz vorgelassen. Ich  war froh, dass ich nichts mehr erklären musste. In meiner eigenen schmerzversuchten gefangenen Welt hoffte und betete ich nur noch,  dass ich bald Erlösung oder Linderung der Schmerzen bekommen würde.  „Hier wird dir geholfen!“ huschte es immer durch meinen Geist „Halte durch!“ sagte ich mir aufmunternd. Mir wurde ein Bett zugewiesen und ich setzte mich darauf. Liegen konnte ich nicht, aber das war egal, es war ein Krankenbett und Ärzte und Schwestern huschten um mich rum. Ich hörte wie der Sanitäter dem Arzt meine Situation schilderte und war innerlich schon viel gelassener. Ich hatte schon gehofft, dass auch die Schmerzen auf Grund des Krankenhauses aufhörten, aber das war nur ein Wunsch.

Mir wurde eine Braunüle gelegt, ich bekam Blut abgenommen, Blutdruck gemessen und dann im Anschluss eine Kochsalzlösung angeschlossen. Es war die Hölle los in der Notfallambulanz und mit dem Hinweis, dass sich der Arzt bei mir meldet wurde der Vorhang meiner kleinen Abtrennung zugezogen. Es war wie in einem Bienenstock, emsiges buntes treiben. Ich drehte meinen Kopf, um zu sehen wie groß dieser Raum war und zählte 12 Personen, die wie ich in einem so kleinen, mit einem Vorhang getrennten Raum lagen. Hier ein Herzinfarkt, da ein Patient der seine Ausscheidungen nicht mehr bei sich halten kann und Blut erbricht, da ein junger Mann, der wohl kürzlich eine Op hatte und aus der Leiste noch Blutet.

Und zwischen drinnen lag ich, ich fühlte mich schlecht, meine Krankheit machte bei weiten nicht so viel her, wie die der anderen Patienten um mich rum. Am liebsten wäre ich in die Brustklinik gegangen, aber dort hatte ich es am morgen schon probiert, man hatte mir bei dem Anruf am Morgen gesagt, dass die Klinik voll sei und ich über die Ambulanz den Weg zur stationären Aufnahme gehen müsste.

Da saß ich nun und wartete auf was auch immer. Ich hatte Angst vor einer OP und ich musste bis Mittwoch den 23.03 auf den Befund vom Pathologen warten.

Taxi oder Krankenwagen

Ich hatte meine Tasche gepackt und überlegte jetzt wie ich in die Klinik kommen sollte. Taxi oder Krankenwagen, keine leichte Entscheidung. Beides kostet Geld, was übernimmt die Krankenkasse? Was passiert, wenn man nicht krank genug ist, um mit dem Krankenwagen fahren zu dürfen, muss man die Kosten für den Krankenwagen selber bezahlen? Da fallen einem, dann so komische Zahlen wie 400 Euro für den Krankentransport ein und das wollte ich tunlichst vermeiden.

Daher rief ich um 08:00 Uhr die Techniker Krankenkasse an. Ich schilderte mein Problem und bekam am Telefon folgende Auskunft. „Sie können gerne mit dem Taxi fahren und reichen dann im Anschluss die Rechnung mit dem Grund mit ein, es kann sein, dass Sie die Kosten erstattet bekommen. Oder Sie fahren mit dem Krankenwagen, dann zahlen Sie 10 Euro.  Oder ich schicken Ihnen jetzt einen Transportschein und sie füllen den aus und schicken mir diesen zurück, dann bekommen Sie eine Kostenübernahme schriftlich per Post!“

Ich dachte, das kann doch alles nicht wahr sein, wo bin ich gelandet, wie konnte ich in diese Situation kommen. Ich wollte Hilfe und sollte Transportscheine ausfüllen. Jetzt denkt der eine oder andere, so schlimm kann es bei Ihr ja nicht gewesen sein. Aber ich muss leider widersprechen, ich hätte vor Schmerzen und Frust über diese ganze Situation eigentlich nur heulen können. Ich wollte doch nur Hilfe, die Schmerzen trieben mich in den Wahnsinn, ich wollte keine blöden Telefongespräche führen und mich mit Transportscheinen beschäftigen. Daher beendete ich das Gespräch und suchte mir die Rufnummer im Internet für Krankentransporte raus. Ich wollte an der Quelle nachfragen und die am besten auch gleich zu meiner Anschrift bestellen.

Ich hatte eine Service Nr. im Internet gefunden und diesem netten Herren meine Probleme und Wünsche bezüglich Krankenhaus mitgeteilt, auf die Frage bezüglich der Kosten kann ich erklären. Das man immer einen Krankenwagen rufen kann, solange man nicht mit Ihm mitfährt entstehen keine Kosten. Die Kosten für eine Fahrt übernimmt dann die Krankenkasse, sofern man eine hat. Wichtig ist eine Versicherten Karte. Hätte mir die Techniker am Telefon eine Kostenzusage für das Taxi gegeben, hätte ich die Krankasse 20 Euro gekostet, so habe ich die Krankenkasse 400 Euro gekostet. Aber wer bin ich, dass ich den Krankenkassen „Unfähigkeit“ vorwerfen kann. Ich hätte mir ja vorher die Erlaubnis in Form eines Transportscheins mit unbekanntem Grund und Datum einholen können.

Ein schmerzhaftes Wochenende für meinen Sohn und mich

Es war Montag der 20.03.2017, ich hatte jetzt schon die letzten 3 Nächte mit meinem Sohn in den Notfallambulanzen der hier ansässigen Zahnkliniken zugebracht. Er hatte eine Zahnop ( 4 Weisheitszähne) und die Wunden wollten nicht aufhören zu bluten. Es wurde allen Wunden mehrfach nachgenäht und bei unserem Besuch in der Notfallambulanz von Montag auf Dienstag bat ich darum, dass man Ihn Stationär auf nimmt. Ich hatte keine Kraft mehr und wusste nicht wie ich überhaupt noch gerade stehen sollte. Doch ich wollte Ihn in guten Händen wissen und die richtige medizinische Versorgung war mir für Ihn wichtig. Egal wie stark meine Schmerzen waren, er war es der jetzt meinen Schutz brauchte. Als ich um 2 Uhr morgens ohne ihn zu Hause ankam, nahm ich noch eine Hand voll Tabletten und hoffte, dass ich etwas schlafen konnte.

Die Tabletten wirkten nicht, mein Körper rief um Hilfe, ich hatte Bewusstseinsstörungen, wenn ich die Augen schloss, fühlte es sich an als ob mein Körper vor und zurück geworfen wurde. Wellenartige Schmerzen liefen an meinen Knochen von oben nach unten entlang und ich hatte das Gefühl, das mein Geist gejagt wird. Mein Puls war bei 150 und mein ganzer Körper war überzogen von kaltem Schweiß. Ich wollte meinen Mann nicht wecken, weil ich wusste, dass er morgen wieder einen harten Tag haben würde. Doch für mich war klar, dass ich keine weitere Nacht so überleben könnte. Ich stand auf zog mir trockene Sachen an und kochte mir einen Tee. Als ich auf die Uhr schaute war es 4:30 Uhr, ich hatte 2 Stunden geschlafen und packte die wichtigsten Sachen für den Besuch in der Notfallambulanz zusammen. Ich kontrollierte noch einige Male meinen Puls. Um 6 ging ich zurück ins Schlafzimmer brachte mein Bett in die Sitzposition und wartete noch eine Stunde mit einer Tasse Tee in der Hand bis der Wecker von meinem Mann um 7:00 Uhr klingelte. Ich teilte Ihm die Geschehnisse der letzten Nacht mit und setzte Ihn von meinem Entschluss in Kenntnis. Er sah mich ganz traurig an, ich wusste, dass er mir nicht helfen konnte. Das machte Ihn fertig, er litt schon die letzten Wochen mit mir und musste tagsüber auch noch arbeiten gehen. Er war froh, dass ich mir Hilfe holte und so trennten wir uns an diesem Morgen mit unterschiedlichen Zielen.

Neuer Lebensmut mit einer Schippe mehr Schmerzen

Die nächsten 2 Tage und Nächte sollten Horror werden, zu dem Eingriff und seinen Schmerzen gesellte sich mein Rückenschmerz und nicht mal das Ibuprofen 600 sollte mir helfen können.

Am Samstag setzte ich mich erneut ins Taxi und fuhr erneut in die Uniklinik. Ich hatte ein kurzes Gespräch mit einer Ärztin die Wochenende Dienst in der Frauenklinik hatte und teilte ihr mit, dass ich durch die Tabletten arge Magenschmerzen hätte und die Wirkung nicht ausreicht. Jetzt darf ich nach Bedarf noch 2 x 2  500 mg Novalgin zwischen den Einnahmen von Ibuprofen nehmen. Auf die Frage, wann mein Körper seinen Dienst einstellt, lachte die Ärztin und teilte mir mit, dass Sie Migräne Geplagte wäre und teilweise sogar 5 x am Tag 600er Ibuprofen über mehrere Tage nimmt.

Eigentlich wollte ich etwas gegen die Entzündung haben, doch Sie meinte es sei keine Entzündung sondern Krebs und daher kann Sie mir jetzt nichts anderes geben. Wir sollten erst das Ergebnis vom Pathologen abwarten. Das könnte dann der 22.3.2017 sein. Ich wollte Ihr widersprechen, aber ich wusste was der Pathologe sagen würde und ließ sie in Ihrem Ablauf. Für Ärzte zählen nur Fakten, für mich zählt mein Bauchgefühl und so war ich mit meinen Schmerzen und dem Wissen einer Entzündung für dieses Wochenende alleine.

Licht am Ende des Tunnels

4 Tage später stand eine CT gesteuerte Biopsie vom betroffenen Knochen auf dem Plan.

Um 9 Uhr stand ich nüchtern und zitternd in der Radiologie, ich zog mich um und durfte das schicke OP Hemd anziehen. Es gab noch eine Braunüle und dann wurde ich auf dem Einschub fürs CT in Bauchlage positioniert. Wenn man einmal liegt, darf man seine Position nicht mehr ändern, wurde mir mit ernster Stimme gesagt und dann kam der Oberarzt und es ging los.

Es folgte das Abkleben der Einstichstelle, Desinfektion mit Jod, Quaddeln (Betäuben der Stelle) ausrichten durch mehrmaliges rein und raus Geschiebe ins CT. Dann sucht sich der Arzt einen Zugang zum Knochen und wieder wird man ins CT geschoben, um keine Verletzungen an der Wirbelsäule zu verursachen. Wenn er die richtige Stelle gefunden hat, nimmt er mit einer Art Handbohrer, Abrieb mit nach außen. Es hat sich abartig angefühlt, aber es war fast schmerzfrei. Als der Arzt mir sagte, dass es zu 85% kein Krebs sei, musste ich weinen. Ich fing wieder an zu zittern und ich merkte wie sich die Anspannung der letzten Tage  legte. Ich war so froh, dass er mein Bauchgefühl eben bestätigt hatte, bis zur letzten Minute hatte ich Angst vor der Diagnose Krebs.

Nach dem Eingriff der 15 Minuten dauert, wird man 2 Stunden zur Beobachtung im Vorraum behalten. Leider hatte ich keinen Handyempfang und was soll ich sagen, es waren die längsten 2 Stunden die ich je erleben musste. Ich war nicht in der Lage diese Nachricht an meine Liebsten zu schicken und war zum nichts tun gezwungen.

Nur wegen einer Biopsie verschwinden leider die Schmerzen nicht, die Betäubung der Hautstelle ließ nach und zu meinen Rückenschmerzen gesellten sich noch weitere ungekannte Schmerzen. Ich hatte am Morgen extra keine Schmerzmittel genommen, um keine Komplikationen mit dem injizierten Schmerzmittel hervorzurufen. Es krampfte und zog im Rücken und in den Rippen. Ich war kurz davor von der kleinen Transportpritsche zu springen. Ich rief nach der Schwester, weil der Notfallknopf den man mir gegeben hatte, ohne Funktion war. Man gab mir Novalgin und ich war dankbar, dass der Schmerz erträglicher wurde. Nach 2 Stunden rumgerutschte auf der Pritsche durfte ich dann gehen. Ich brachte meine Probe zur Ärztin von der Strahlenklinik und machte mich mit dem Taxi auf den Heimweg.

Bereit für den Tod

Vor der Tür suchte ich in der Suchmaschine meines Handys nach einigen Übereinstimmungen der Schlüsselwörter „Chemo, neuer Krebs, schnellwachsend), doch das hätte ich nicht machen sollen. Hier war die Rede von 12 Wochen und so wie sich mein Körper anfühlte, konnte ich diese Zahl auch nicht gerade als Lüge abtun.

Ich verließ den Flur und wollte nur noch um eine Ecke und aus dem Sichtfeld von anderen Menschen. Mein Puls beschleunigte sich und eine innere Kraft und Unruhe erfasste mich, ich wollte weinen, los rennen, mit meinem Bruder telefonieren, um mit Ihm den Wohnort von meinem Sohn und meiner Mutter zu klären. Dann tauchten Bilder von den geliebten Menschen auf, die ich einfach im Stich lassen musste. Ich war hilflos und keine Lösung schien in dieser kurzen Zeit zu greifen. Ich wusste ich konnte diese Probleme hier vor Ort jetzt nicht lösen und zwang mich zu einem 10 Punkteplan. Mit Panik, Hilflosigkeit und Tränen wollte ich keine Straßenbahn fahren, daher atmete ich tief durch und drängte meine Gedanken an die Aufgaben die ich erledigen musste.

Immer wieder kämpfte ich um meine Fassung in der Bahn, die Tränen waren nur einen Wimpernschlag entfernt. An meiner Station angekommen, schoss ich aus der Bahn und ich musste noch ein Stück laufen um meine eigenen 4 Wände zu erreichen. Dort im Schutz der Einsamkeit wollte ich meiner Schwäche kurz nachgeben und dann den Plan „Absicherung für die ganze Familie“ innerhalb der nächsten 12 Wochen in Angriff nehmen. Ich war im Hausflur, öffnete die Wohnungstür und hatte noch im Kopf das mein Sohn in die Stadt wollte und gab mich dann ungebremst dem Schluchzen hin. Es tat gut die Folgen die diese Diagnose mit sich bringen sollte, auszuspülen. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich den ganzen Krebs rausgeweint.

Ich hörte meinen Sohn „Mama, was ist los?“ sagen und als nächstes kam er aus seinem Zimmer geschossen. Geschockt schaute ich Ihn an, nur um dann schnell den Blick in eine andere Richtung zu lenken, das wollte ich nicht, er sollte mich nicht so aufgelöst sehen. Ich versuchte mir die Tränen weg zu wischen und Ihm nicht ins Gesicht zu sehen. Aber so schnell kann man dem Strom von Tränen nicht zum Versiegen bringen. Er kam näher und nahm mich in seine Arme, da er einen Kopf größer ist als ich musste ich Ihm auch nicht in die Augen schauen, aber ich wusste, dass ich Ihm etwas erzählen musste. Sorge lag in seiner Frage „Mama, was ist denn passiert?“ Und ich begann ihm von meiner Diagnose zu berichten. Es war ein Schock für Ihn und wir weinten zusammen. Dieses Spiel wiederholte sich dann noch als mein Mann und meine Mutter nach Hause kamen.

Es tat mir tief im Herzen weh, den Menschen die mich lieben und brauchen, so eine schlechte Nachricht zu überbringen. Doch das sind die Momente die man brauch um festzustellen, was man im Leben  noch alles ändern sollte, solange man dazu in der Lage ist. Ich rede von einer Absicherung für die, die wir zurücklassen. Viele Menschen haben nicht mal die Gelegenheit noch etwas zu klären. Sie werden während eines Autounfalls einfach aus dem Leben gerissen und die Leitragenden sind dann zum Beispiel die Kinder. Sie werden, wenn es ungünstig läuft zu Vollwaisen und wachen ohne Liebe und finanziellen Mitteln auf, kein Mensch kümmert sich um Sie oder setzt sich für sie ein.

Ich wollte meiner Familie einen Lichtblick, eine Gelegenheit zum Hoffen geben und daher teilte ich jedem meine Vermutung mit. Ich war noch immer fest davon überzeugt, dass es kein Krebs war. Es fühlte sich anders als Krebs an. Krebs ist versöhnlich nicht so kaltblütig. Es ist eine Lebensform die fortbestehen möchte, sie möchte wachsen und verursacht selten solche Reaktionen im Körper, wie die, die ich die letzten Wochen fühlte. Daher versprach ich meinen Lieben, dass ich noch nicht aufgebe und alles tue um diese Diagnose ungeschehen zu machen.

In der Strahlenklinik

Man hatte für mich einen Termin in der Strahlenklinik für den 03.03.2017 ausgemacht und ich wehrte mich schon innerlich gegen weitere Therapieansätze, wenn die eine Sache noch nicht geklärt ist. Das teilte ich auch der Ärztin bei unserem ersten Gespräch mit und Sie hörte sich mein Klagen an.

Doch Sie machte etwas, was keiner der Ärzte vorher machte. Sie hinterfragte und war interessiert und wollte das Rätsel lösen. Sie telefonierte und 3 Tage später hatte ich einen Termin in der Radiologie. Ich war so dankbar.

Nebenbei hatte ich 2 x Krankgymnastik und musste leider arge Abstriche machen. Es wurde nach der Sitzung so schlimm, dass ich wieder Schnappatmung bekam. Ich warf mir Ibuprofen ein und nahm meine Sitzposition im Bett ein, damit sich die Muskeln entspannen konnten.

Von meiner Wirbelsäule wurde ein CT gemacht und 2 Tage später konnte ich den Befund mit der jungen Ärztin aus der Strahlenklinik besprechen.

Letzte Chemo

7 Tage später sollte die letzte Chemo erfolgen. Meine Rückenschmerzen und mein ganzer Körper sendeten nur noch Hilferufe. Schlafmangel, Zerstörte Zellen, Herzrasen, Angstzustände, Übelkeit, Schmerzen im kompletten Bauchraum waren Tag und Nacht anwesend und so stellte ich mir  vermehrt die Frage, ob ich noch eine Chemo überstehe. Ich teilte meine Bedenken in der Tagesklinik mit und bestellte unter Vorbehalt das Medikament für die letzte Chemoterapie. Am Mittwoch sagte ich dann ab und man legte mein Abschlussgespräch auf den Donnerstag anstatt der Chemotherapie fest.

Schmerzgeplagt fuhr ich in die Klinik und musste noch ungef. 10 Minuten warten, unruhig lief ich im Warteraum umher. Sitzen, Gehen oder auch Stehen war nicht mehr möglich. Als ich dann die Zeit zum Sprechen gehabt hätte, war mein Körper mit Schnappatmung vor Schmerzen beschäftigt.

Die Ärztin schaute mich fragend an und fragte mich dann: „haben Sie heute schon Schmerzmittel genommen und wenn ja, wieviel?“ Sie wartete meine Antwort ab und ging dann raus um mir 2 x 400 Ibuprofen zu holen. Ich nahm die Tabletten, aber ich bekam von dem Gespräch nichts mit. Ich war so in meiner Schmerzwelt gefangen, dass ich nur Ihren verstörten Gesichtsausdruck vor meinem Auge in Erinnerung erhalten habe. Wir verabschiedeten uns und ich versuchte irgendwie im Taxi zu überleben.

Vorletzte Chemo

2 Tage später war wieder Chemo und ich freute mich schon fast auf die Nebenwirkungen, die mir eine kurzfristige Schmerzimmunität bescheren würden. Doch diese Vorfreude wurde schnell getrübt.

Die Tür ging auf und ein Arzt kam zu mir, er war jung und wirkte im Geiste mit etwas anderem Beschäftigt zu sein. Mir graute schon bei dem Gedanken, dass dieser Arzt bei meinen ach so tollen Venen gleich die Braunüle für die Infusion legen sollte. Ich hasse es, wenn ich Recht habe. Er lächelte aufmuntern, wobei er sich wohl eher aufmuntere als mich. Ich dachte mir noch, soll ich Ihm jetzt Mut zu sprechen, weil es ist ja meine Vene, die er gerade durchsticht. Doch bevor ich etwas sagen konnte, zog er die Nadel etwas zurück und änderte den Winkel und dann nochmal zurück um dann auch noch die Richtung zu ändern. Es brannte und ich wusste, dass er sie zerstört hatte. In diese Vene würde er heute keine Braunüle mehr legen könnte. Dann war er einem Blick auf meinen anderen Arm, doch der war noch im Thrombosestrumpf und ich schüttelte den Kopf. Dann nahm er sich meine Hand, „Oh Sie haben Rollvenen!“ aber das sollte gehen und kippte die Hand nach unten um die Vene am Handrücken zu spannen. Er stach zu und ein brennender Schmerz entstand an der Stelle an der in der Vene war. Er schob die Braunüle noch tiefer rein und in dem Moment hasste ich alles in diesem Raum, an meiner Situation, mein gegenüber und Wuttränen wollten aus mir hervorbrechen. Doch ich blinzelte Sie weg, ich wollte auf garkeinen Fall jetzt hier rum heulen. Er machte alles fertig und der Vorlauf wurde angeschlossen. Ich war alleine und jetzt konnte ich mein Selbstmitleid gepaart mit Rückenschmerzen und Handschmerzen nicht mehr unterdrücken. Ich begann zu schluchzen und aus Scharm vor dieser Schwäche zog ich meine Mütze übers Gesicht und gab mich kurz der Situation hin.

Die Schwester die in dem Raum Dienst hatte, ignorierte mich, wofür ich Ihr sehr dankbar war. Doch der Tränenstrom wollte nicht versiegen und so hielt mein emotionaler Ausbruch 5 Minuten an.

Ich versuchte mich zu beruhigen und hoffte, dass die Schmerzen und die negative Stimmung gleich vom schmerzstillenden Vorlauf weggetragen werden würde. Doch ich war an diesem Tag einfach zu nah am Wasser gebaut und das sagte ich auch, als mich die Schwester aufmunternd mit „ Geht’s wieder Frau Mayer ansprach?“ Auch diese Chemo sollte sich nicht von der die Woche zu vor unterscheiden und so verging noch eine Woche mit Übelkeit, Hitzewallungen, Schmerzen und dem tiefen Loch in dem ich mich befand. Diese Hilflosigkeit war mein größter Feind und ohne medizinisches Wissen findet man hier leider auch nicht einfach die Antwort auf seine ganzen Ängste und Warnsignale.